„Wie die deutsche Wirtschaft dem Faschismus zur Macht verhalf“ – Online-Veranstaltung am 26.01., 19 Uhr

20. Januar 2022

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Eine gemeinsame Veranstaltung der Bundesvereinigung und Berliner VVN-BDA

Durch Hitlers Rede vor dem Düsseldorfer Industrieclub am 26.01.1932 erhielt die NSDAP Unterstützung von Industriellen und konnte so ihren Einfluss weiter ausbauen. Über die Bedeutung dieser Rede für den Aufstieg des Faschismus diskutieren Ulli Sander, Journalist, Autor und Mitglied des Bundesausschusses und Maxi Schneider, Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA.

Vor 90 Jahren, am 26.01.1932, hielt Hitler eine Rede vor dem Düsseldorfer Industrie-Club im Parkhotel Düsseldorf und warb dort bei 650 Industriellen, Managern und Verbandsvertretern für seine menschenverachtenden Thesen und den Aufstieg der NSDAP. Vor dem Hotel protestieren Kommunistinnen, Sozialdemokratinnen und Gewerkschafter*innen gegen die Veranstaltung.

Bereits vor 1932 konnte Hitler auf die Unterstützung einiger einflussreicher Firmenbesitzer zählen. Durch die Rede vor dem Industrieclub wurde diese Unterstützung ausgeweitet. Die NSDAP erhielt im Nachgang beachtliche Finanzspritzen der großen industriellen Verbände. Am 90. Jahrestag Hitlers Rede und der damit verbundenen Folgen für den Lauf der Geschichte erinnern wir an die Verstrickungen der NSDAP mit der deutschen Wirtschaft, ohne die der Aufstieg der Nazis, der Zweite Weltkrieg und der Genozid an den europäischen Juden und Jüdinnen, Sintizze und Romnja nicht möglich gewesen wäre.

Es referiert Ulli Sander, Journalist, Autor und Mitglied im Bundesausschuss der VVN-BdA, im Gespräch mit Maxi Schneider, Historikerin und Referentin für Geschichts- und Erinnerungspolitik der VVN-BdA über Akteur*innen, Inhalte und Folgen der Industrieclub-Rede.

Datum: 26.01.2022
Uhrzeit: 19 Uhr

Die Veranstaltung wird auf Zoom stattfinden und auf der Facebook-Seite der Bundesvereinigung (facebook.com/events/248646060746226/) live übertragen werden. Der Zoom- Link folgt in Kürze.

Wir werden sie nie vergessen: Ehrenpräsidentin Esther Bejarano gestorben

11. Juli 2021

10. Juli 2021

EstherBejarano, Trauer

Heute Nacht ist unsere Ehrenpräsidentin Esther Bejarano ruhig und friedlich eingeschlafen.

Wir alle kannten Sie als eine Frau von großer Entschiedenheit und geradezu unglaublichem Elan, die viele von uns noch bis vor kurzem auf der großen Bühne erleben durften. Zuletzt saß sie am 8. Mai auf unserer kleinen Bühne im Hamburger Gängeviertel und erzählte von ihrer Befreiung am 3. Mai 1945 durch Soldaten der Roten Armee und der US-Armee, die kurz nacheinander in der kleinen Stadt Lübsz eintrafen. Dort hatte Esther mit einigen Freundinnen aus dem KZ Ravensbrück Unterschlupf gefunden, nachdem sie gemeinsam dem Todesmarsch entflohen waren.

Wenige Tage zuvor, am 3. Mai, den sie ihren zweiten Geburtstag nannte, hat Esther sich noch mit einer Video-Botschaft zum Tag der Befreiung an uns alle gewendet. Darin bezog sie noch einmal deutlich Stellung zu aktuellen Auseinandersetzungen in der Stadt Hamburg und im ganzen Land. Obwohl sie dabei schon im Rollstuhl saß, waren ihre Worte klar und ihre Stimme kräftig:

https://www.auschwitz-komitee.de/5249/esther-bejarano-wir-sind-da-meine-befreiung-im-mai-1945-und-meine-hoffnungen/

Wir verdanken Esther viel; sie war immer da, wenn wir sie brauchten.

Als 1990 zum ersten Mal ein Bundessprecher:innenkreis gewählt werden sollte und dafür Personen gesucht wurden, die Tradition und „Neuanfang“ verkörperten, stand sie dafür zur Verfügung und wurde eine unserer ersten Bundessprecherinnen in einer Zeit, in der wir der Diffamierung des Antifaschismus als „diskreditiert“ und „überkommen“ entgegentreten mussten. Sie hat einen großen Anteil daran, dass das gelungen ist.

Zum 50. Geburtstag der VVN richtete sie zusammen mit Peter Gingold einen bewegenden „Appell an die Jugend“:

https://perlavitamovie.files.wordpress.com/2013/08/appell-an-die-jugend-vers-2005-esther-bejarano-und-peter-gingold-doc.pdf

Als im November 2019 das Finanzamt für Körperschaften in Berlin unsere Gemeinnützigkeit bestritt, schritt sie mit ihrem flammenden Appell an Olaf Scholz „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus“ ein und verbreiterte die öffentliche Debatte. Damit hat sie wesentlich zu unserem Erfolg in dieser Auseinandersetzung beigetragen.

Nun ist die unermüdliche „Zeitzeugin“ gegen Vergessen des historischen und Verharmlosen des aktuellen Faschismus, Mahnerin und Kämpferin für Menschenrechte, Frieden und eine solidarische Gesellschaft von uns gegangen. Sie wird uns fehlen, vielen von uns auch als verlässliche Freundin.

Wir denken ans sie in Dankbarkeit, Trauer und Liebe.

Nehmen wir ihre letzte öffentliche Botschaft als Vermächtnis und arbeiten wir weiter daran, dass der 8. Mai endlich auch in Deutschland ein Feiertag wird, so wie sie es in ihrer Rede am 3. Mai noch einmal vorgetragen hat:

„Ich fordere: Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Und hilft vielleicht, endlich zu begreifen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung war, der Niederschla­gung des NS-Regimes. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.“

Es ist vollbracht – Antifaschismus ist und bleibt gemeinnützig!

30. April 2021

28. April 2021

Berlin, 28. April 2021

Pressemitteilung: Antifaschismus ist und bleibt gemeinnützig – starkes Zeichen gegen die Wertung des bayerischen Verfassungsschutzes!

Gestern erreichte uns der Bescheid des Finanzamts für Körperschaften 1, mit dem es unserem Einspruch gegen die Bescheide, mit denen uns die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2016 – 2018 aberkannt hat, stattgegeben hat. Die Steuerbescheide für die Jahre 2016 und 2017 sind damit aufgehoben.

Wir sind erleichtert und froh, dass das Finanzamt und die Berliner Finanzverwaltung nach eineinhalbjährigem Verfahren die Wertung des bayerischen Inlandsgeheimdienstes, wir seien  „extremistisch“  als widerlegt betrachten. [1]

Dazu haben wir mehrere Stellungnahmen und wesentliche Dokumente zu den Grundlagen unserer Arbeit vorgelegt, die unser Selbstverständnis als partei- und spektrenübergreifende Organisation, in der es – von Christ*innen, Sozialdemokrat*innen und Grünen über Linke und DKP zu parteilosen Mitgliedern aus unterschiedlichen Zusammenhängen – unterschiedliche Zugänge zum Antifaschismus gibt, darlegen.

Außerdem haben sowohl die beiden Vorsitzenden unserer inzwischen 8.000 Mitglieder zählenden Vereinigung, Cornelia Kerth und Axel Holz, als auch die Ehrenpräsidentin Esther Bejarano eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass es nach ihrer Kenntnis keine

 „von der Vereinigung oder einer verantwortlich für sie handelnden Persönlichkeit“ ausgehende Erklärung darüber gebe, „dass sie ,alle nicht-marxistischen Systeme – also auch die parlamentarische Demokratie – als potentiell faschistisch, zumindest aber als eine Vorstufe zum Faschismus betrachtet, die es zu bekämpfen gilt‘.“– wie es das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz behauptete.

Weiter wird ausgeführt: „Die Vereinigung hat die parlamentarische Demokratie und schlechthin den Gehalt unserer Nachkriegsverfassungen auf Bundes- und Länderebene als eigenständigen Selbstwert (…) verteidigt und dies als eine aus dem antifaschistischen Kampf stammende grundlegende Verpflichtung behandelt, die ein gemeinsames Auftreten von kommunistischen, sozialistischen, christlichen, liberalen und sonstigen demokratischen Antifaschisten legitimiert.“

Es ist ein gutes Gefühl, dass wir in der Auseinandersetzung um unsere Gemeinnützigkeit eine überwältigende Solidarität erleben durften:

– Mehr als 100 Organisationen und Initiativen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen schickten uns Solidaritätsschreiben, die meist als öffentliche Erklärungen oder Schreiben an den Berliner und/oder den Bundesfinanzminister verfasst worden sind.

– Über 2.000 Antifaschist:innen haben diesen Angriff zum Anlass genommen, sich uns als Mitglieder anzuschließen.

– Eine hohe Spendenbereitschaft hat dafür gesorgt, dass wir die zunächst drohende Insolvenz nicht mehr fürchten mussten und unsere Arbeit verstärken können. Allen Spender:innen sagen wir noch einmal herzlichen Dank.

– Viele unserer Mitglieder haben sich mit ihren Kontakten und ihrem Gewicht, mit eigenen Aktionen und guten Vorschlägen eingebracht so dazu beigetragen, dass unsere Petition „Die VVN-BdA muss gemeinnützig bleiben“ von mehr als 50.000 Menschen unterzeichnet wurde.

Die nun wieder erfolgte Anerkennung unserer Gemeinnützigkeit für die Jahre 2016-2018 ist ein wichtiges Zeichen für alle Antifaschistinnen und Antifaschisten und für alle, die noch weiter um die Anerkennung ihrer Arbeit als gemeinnützig kämpfen müssen.

In diesem Sinne fordern wir weiterhin die Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts und die Streichung des Paragraphen 51, Absatz 3, Satz 2!

In einer Demokratie dürfen nicht Geheimdienste über die verfassungsmäßige Bandbreite der gesellschaftlichen Debatte entscheiden!

Kontakt:

Hannah Geiger (Pressereferentin VVN-BdA)
presse@vvn-bda.de
Mobil |Mobile +49 (0)178 2785958
Telefon (+49) 030-55579083-4
Telefax (+49) 030-55579083-9


[1] Grundlage für den Entzug der Gemeinnnützigkeit war § 51, Absatz 3, Satz 1 und 2, der Abgabenordnung, wo es heißt:

„Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. 2Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.“

Ein starkes Herz hörte auf zu schlagen: Nachruf auf Günter Pappenheim (1925 – 2021)

1. April 2021

1. April 2021

Nachruf

Mit großer Trauer mussten wir erfahren, dass eines unserer letzten Gründungsmitglieder, Günter Pappenheim, Überlebender des KZ Buchenwald, erster Vizepräsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, Vorsitzender der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora und Mitglied des Ehrenpräsidiums der FIR im Alter von 95 Jahren verstorben ist.

Aufgewachsen in einer sozialdemokratisch geprägten Familie, musste er bereits 1934 erleben, dass die Nazis seinen Vater wegen seiner antifaschistischen Haltung im Moorlager Neusüstrum ermordeten. Er selber wurde als Jugendlicher verhaftet und in das KZ Buchenwald verschleppt. Sein „Verbrechen“: Er hat für französischen Zwangsarbeitern heimlich die Marseilles auf einer Mundharmonika gespielt. Gemeinsam mit seinen Kameraden sprach er am 19. April 1945 auf dem Appellplatz den „Schwur von Buchenwald“, der ihm Zeit seines Lebens die politische Richtschnur war: „Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln, Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit“. Mit großem Engagement musste er sich in den letzten Jahren dagegen zur Wehr setzen, dass der Schwur als Beleg für eine „linksextreme Haltung der VVN-BdA“ gewertet wurde.

Für ihn war es nur folgerichtig, dass er im August 1947 Mitglied in der in der SBZ neugegründeten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) wurde. Er war damit eines der letzten noch lebenden Gründungsmitglieder der VVN und blieb der Organisation bis zur Auflösung im Februar 1953 in der DDR verbunden. Auch auf anderen Ebenen setzte er sich für einen antifaschistisch-demokratischen Neubeginn in der SBZ und später der DDR ein, so im Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR.

Nach dem Ende der DDR blieb er seiner antifaschistischen Überzeugung treu. Er schloss sich schon 1990 dem „Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener“ (IVVdN) an und setzte sich beharrlich dafür ein, dass die Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung gemeinsam mit jungen Antifaschisten auf Augenhöhe mit den Antifaschisten aus den westlichen Bundesländern zusammenarbeiteten. Gerade wegen der politischen Angriffe auf die Gedenkstätte Buchenwald sah er die Notwendigkeit dieses engen Zusammenwirkens, um das antifaschistische Vermächtnis der Überlebenden zu bewahren.

Als sich im Oktober 2002 im Vereinigungskongress der IVVdN, der BdA und die VVN-BdA zusammenschlossen, war er dabei und vertrat als Vorsitzender die Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora im Bundesausschuss der nun gesamtdeutschen Organisation. In Veranstaltungen, bei Beratungen in Buchenwald und anderen Gelegenheiten wurde sichtbar: Günter Pappenheims Stimme hatte Gewicht in den öffentlichen Auseinandersetzungen um das Gedenken an den gemeinsamen Kampf der Häftlinge von Buchenwald. Das wurde – selbst unter Corona-Bedingungen – zum 75. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwalds am 11. April 1945 erneut deutlich. 

Geehrt wurde er zuerst im Ausland. Die FIR ernannte ihn zum Mitglied des Ehrenpräsidiums. Der französische Staat ernannte ihn zum Ritter der Ehrenlegion. Erst in den letzten Jahren erfuhr er diese Anerkennung auch in der BRD. Er erhielt den Verdienstorden des Landes Thüringen und in seinem letzten Lebensjahr wurde er noch Ehrenbürger der Stadt Weimar.

Mit seinem Tod geht ein weiteres Gründungsmitglied unseres antifaschistischen Verbandes, der der antifaschistischen Organisation fast 75 Jahre verbunden war. Seine Stimme wird uns bei der Bewahrung des Vermächtnisses der Überlebenden fehlen. Wir danken ihm für seinen vehementen Einsatz für die Gemeinnützigkeit unserer Vereinigung.

Wir drücken seiner Frau Margot, seiner Tochter Gudrun, seinen Kameradinnen und Kameraden, seinen politischen Weggefährten unser tiefes Mitgefühl aus. Er bleibt unvergessen.

Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA

Gemeinnützigkeit eine Frage der politischen Gesinnung

25. August 2020

attac, Bundesfinanzministerium, CDU, Gemeinnützigkeit, Hessen, Scholz, SPD

Dank umfangreicher Bemühungen des Rechercheportals Frag den Staat kam Ende letzter Woche ans Licht, dass der Entzug der Gemeinnützigkeit von attac letztlich auf Druck des damals CDU-geführten Bundesfinanzministeriums erfolgte. Dieser Druck sorgte in letzter Minute dafür, dass das Hessische Finanzministerium entgegen der eigenen Überzeugung Beschwerde gegen die positive Entscheidung des Hessischen Finanzgerichtes beim Bundesfinanzhof einlegte.

Damit ist klar: die Gängelung zivilgesellschaftlicher Akteure ist durch die Bundesregierung politisch gewollt und kein „Unfall“ wie es von den Verantwortlichen immer wieder kolportiert wird. Weder bei attac und campact, noch bei der VVN-BdA.

Auffällig ist, dass der momentane Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die gleiche Linie fährt wie sein Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU). Beide eint offensichtlich das Interesse Organisationen, welche als Teil einer politisch kritischen zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit gelten, finanziell auszutrocknen und ihnen so die Arbeit zu erschweren. Dieser staatliche Verfolgungswille lässt sich weder bei neoliberalen Think-Tanks wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft oder neurechten Denkfabriken wie dem selbsternannten Institut für Staatspolitik des ideologisch-politischen Höcke-Mentors Götz Kubitschek feststellen.

Klar ist: die Angriffe auf attac, die VVN-BdA und andere werden zentral orchestriert. Trotz unterschiedlicher juristischer Ausgangslagen der Verfahren stehen wir politisch an der Seite von attac und allen anderen Betroffenen. Die politischen Vorgaben aus dem Bundesfinanzministerium sind untragbar für eine funktionierende Demokratie: Wer es mit der vom Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit Ernst meint, muss auch zivilgesellschaftlichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ermöglichen ihre – ggf. kontroverse – Position zu relevanten gesellschaftlichen Themen in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Die von Olaf Scholz versprochene Änderung der Abgabenordnung für Vereine steht weiterhin aus.

FIR ist bestürzt über neofaschistische Gewalttat in Deutschland

21. Februar 2020

geschrieben von Ulrich Schneider

20. Februar 2020

Wieder einmal müssen wir ein neofaschistisches Massenverbrechen beklagen. In Hanau (Hessen) ermordete am Mittwochabend ein 43jähriger Mann mindestens neun Menschen in zwei Shisha-Bars in der Innenstadt. Weitere Personen wurden verletzt. Laut Polizei deute alles auf ein ausländerfeindliches Motiv hin. Der Mann habe seine extrem rechte Gesinnung wenige Tage zuvor in einem Bekenner-Video auf „You Tube“ deutlich gemacht, wo er sich in einer „persönlichen Botschaft an alle Amerikaner“ gewandt habe. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Täters fand die Polizei – laut Presseberichten – ein Bekennerschreiben, das von extrem rechten Ansichten geprägt ist. So behauptete er unter anderem, dass bestimmte Völker vernichtet werden müssten, deren Ausweisung aus Deutschland nicht mehr zu schaffen sei.Das ist nach dem Anschlag von Halle/S. auf eine Synagoge, die mit dem Mord an einer Passantin und einem Besucher einer Dönerbude endete, die zweite Gewalttat mit neofaschistischen Hintergrund in Deutschland innerhalb von wenigen Monaten. Offenbar verstärkt sich ein politisches Klima des Hasses und der Gewaltbereitschaft, was durch politische Kräfte nicht nur in den Medien, sondern auf den Straßen durch die Aufmärsche der neofaschistischen PEGIDA oder in den politischen Kampagnen der „Alternative für Deutschland“ (AfD) massiv gefördert wird.
Wir warnen davor, jetzt wieder von einem „Einzeltäter“ zu sprechen, weil der Täter möglicherweise nicht Mitglied oder Aktivist einer neofaschistischen Organisation war. Das verdrängt, dass es die neofaschistischen Organisationen und Netzwerke sind, die den Boden für solche Formen individueller Gewalt bereiten.Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten ist bestürzt über diese erneute Bluttat. Sie drückt den Angehörigen und Freunden der Opfer ihr Mitgefühl aus. Sie fordert aber gleichzeitig von den verantwortlichen Politikern und den Akteuren der Zivilgesellschaft sowie allen antifaschistischen Verbänden auch in diesem Fall ein deutliches Zeichen zu setzen, dass rassistische Gewalt keinen Platz in dieser Gesellschaft haben darf.Einmal mehr bestätigt sich die Warnung von Esther Bejarano, Mitglied unseres Ehrenpräsidiums, die vor dem Hintergrund der zunehmenden neofaschistischen Gewalt dem bundesdeutschen Finanzminister Scholz wegen der Angriffe auf die VVN-BdA entgegengehalten hat: „Das Haus brennt und Sie sperren die Feuerwehr aus!“

Die Mordtat von Hanau zeigt, wir brauchen ein antifaschistisches politisches Klima in diesem Land, so dass Rassisten keinen Nährboden für ihre Gewaltvorstellungen finden. Nur so sind solche Massenverbrechen wirksam zu verhindern.

Eine Mehr als trübe Quelle- Über die Hintergründe der Attacken auf die Gemeinnützigkeit der VVN-BDA

21. Februar 2020

geschrieben von Hans-E. Schmitt-Lermann

9. Februar 2020

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Nachdem das Finanzamt Berlin der VVN-BdA-Bundesorganisation den Entzug der steuerlichen Gemeinnützigkeit angekündigt hatte, wurde ich gebeten, eine Inhaltsanalyse zu regionalen Entscheidungen abzugeben, die in der Bundesrepublik allein stehen und auf die sich das Amt in Berlin alleine beruft. Hier meine Stellungnahme zur einzigen Entscheidungsgrundlage des Finanzamtes Berlin: Der regelmäßigen Nennung des Landesverbandes Bayern der VVN-BdA im Bayerischen Landesverfassungsschutzbericht, deren Bestätigung durch die 22. Kammer des  Verwaltungsgerichts München 2014 (M 22K 11.2221) nach einer Klage des betroffenen Verbandes und die Nichtzulassung der Berufung durch den 10. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes 2018 (10 ZB 15.795).

Ich hatte von 1972 an in der damaligen Bundesrepublik über einen längeren Zeitraum durch ihre VVN-Mitgliedschaft belastete Betroffene von „Berufsverboten“ anwaltlich erfolgreich mit politisch-historischen Argumenten vertreten. Im aktuellen Verfahren des Landesverbands Bayern der VVN war ich nicht mandatiert. Die folgende Einschätzung beruht auf der Einsicht in Urteile und sonstigen Prozessmaterialien und Rücksprache mit den Prozessanwälten. Sie befasst sich nicht mit den (vorhandenen) Verstößen gegen geltendes Verwaltungsverfahrens- und – Prozessrecht, sondern mit den entscheidungsbegründenden politischen Ideologemen und deren rechtslastiger Ausprägung.

„Verfassungsfeindlicher Antifaschismus“?

Die der VVN-BdA unterstellte Kernthese, dass alle nicht-marxistischen, auch parlamentarischen Systeme als potentiell faschistisch zu bekämpfen seien, leitet das bayerische Verfassungsschutzamt (und das ist ein Alleinstellungsmerkmal: kein anderes Verfassungsschutzamt in Bund und Ländern diskriminiert derzeit so die VVN), keineswegs schöpfend aus eigenen Ermittlungen, Unterlagen und Äußerungen der VVN ab, sondern es nutzt ausschließlich die in der Natur der historischen Sache liegende Tatsache, dass Kommunisten mit einem 30-Prozent-Anteil dort im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung überrepräsentiert seien. Und dass diese, keineswegs aber die zahlreichen anderen VVN-Mitglieder, ob parteilos oder bei SPD, Grünen, Linken und diversen anderen Strukturen organisiert, – dort eine derartige Überzeugung einbrächten.

Bereits der VII. Weltkongress der Kommunistischen Internationale vom Juli 1935 hat die Linie vertreten, es bedürfe zur Abwehr des Faschismus einer linken Einheitsfront, der Aktionseinheit aller sozialistischen und demokratischen Parteien und der Unterstützung der Bildung von Regierungen dieser Einheitsfront. Dies wurde in der Folge auch in die Tat umgesetzt.

Zum Beispiel schildern alle ernstzunehmenden Werke über den spanischen Bürgerkrieg (auch der anschauliche Film von Ken Loach), dass die vom bayerischen Verfassungsschutz der VVN unterschobene Gegenposition  zwar  bei syndikalistischen, anarchistischen, POUM-Kräften und Trotzkisten teilweise vertreten wurden,  dass sie damals aber erbittert von Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten bekämpft wurden. Diese kämpften sowohl in der legalen republikanischen Armee wie in den Internationalen Brigaden gegen den faschistischen Franco-Putsch.

Gerade der vom bayerischen Verfassungsschutz herangezogene Hauptanklagepunkt, die Dimitroff-Rede auf dem VII. EKKI-Kongress von 1935, präzisiert die vom Redner so genannte „winzig schmale Machtbasis des Faschismus“, als den „chauvinistischen, aggressivsten Flügel des Finanzkapitals“. Andere mehrheitliche Kräfte innerhalb des Kapitalismus stünden jedoch interessenmäßig und objektiv gewinnbar auf einer anderen (somit nicht faschistischen) Seite. Das blieb nicht Episode. So haben 1987 die SPD- wie SED-Führungsgremien in Punkt IV ihrer gemeinsamen Grundsatzerklärung „Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit“ auch dem kapitalistischen Gesellschaftssystem ausdrücklich die „prinzipielle Friedensfähigkeit“ zugemessen und damit eine systembedingt „notwendige Folge“ von Krieg und Faschismus in Abrede gestellt. Ausgerechnet der VVN eine gegenteilige Position anzudichten, war und ist ebenso unschlüssig wie lächerlich.

Der VVN-BdA eine Überzeugung oder auch nur Tendenz zu unterstellen, sie bekämpfe die parlamentarische Demokratie und hielte den Faschismus für eine notwendige Folge aller nicht-marxistischen Systeme, in Sonderheit des Kapitalismus, der nur durch eine soziale Revolution besiegt, verhindert und wirksam bekämpft werden könne, geht an der Geschichte des Antifaschismus, am Statut, den Dokumenten, dem Auftreten der VVN-BdA, vor allem aber auch an den Einstellungen ihrer Mitglieder vorbei. Die VVN-BdA hat sich stets für die parlamentarische Demokratie eingesetzt. Es gibt nicht den leisesten substanziellen oder historischen Ansatz dafür, dass der Antifaschismus der VVN nicht die parlamentarische Demokratie in ihrem Eigenwert und ihrem prinzipiellen Gegensatz zur faschistischen Herrschaftsform verfochten hätte.

Schwerpunkt der VVN-BdA ist derzeit die von zahlreichen Parteien (SPD, Grüne/Bündnis 90, Die Linke und diverse andere) und zivilgesellschaftlichen Verbänden mitgetragene oder unterstützte Kampagne „Aufstehen gegen Rassismus“. Dabei wird ihr manchmal von „links“ der Vorwurf gemacht, sich damit gegen die „armen Teufel“, missgeleitete Opfer des Monopolkapitals, anstatt erstrangig gegen dieses selbst als interessengeleiteten Urheber von Massenverarmung und Demagogie zu wenden.

Auch bekannte VVN-kritische wissenschaftliche Untersuchungen von „links“, etwa unter dem Sammeltitel „antifa heißt Luftangriff“, 2014, von Susann Witt-Stahl und Michael Sommer (Hrsg.) machen der VVN diesen Vorwurf. Darüber hinaus: Die VVN-BdA verlasse sich ganz auf staatliche Kräfte zur Bekämpfung der Nazis und vergesse die notwendige sozioökonomische Revolution.

Dass die VVN eine solche Position ablehnt, bedeutet jedoch nicht, dass sie die „geschichtsrevisionistische“ Prämisse das Bayerischen Verfassungsschutzamtes teilt, die Darstellung eines spezifischen Zusammenhangs bestimmter Formen und Entwicklungen des Kapitalismus mit dem Faschismus sei verfassungsfeindlich und negiere die parlamentarische Demokratie. Denn auch hier handelt es sich um eine extreme, wissenschaftlich bestenfalls randständige Position.

Gehören Faschismus und Kapitalismus zusammen?

Es gibt keine sozialdemokratische Faschismusanalyse oder-theorie, die den Faschismus nicht ausdrücklich aus dem Kapitalismus herleitet. Selbst solche auf die Novemberrevolution spezialisierten sozialdemokratischen Historiker wie namentlich Eberhard Kolb, Reinhard Rürup, Peter von Oertzen und zuvor Helga Grebing, die das damalige Bündnis der SPD-Führung mit rechten Machteliten nicht verurteilen wollen und damit auf Kritik stoßen, sehen ausdrücklich das „Mitverschulden“ der SPD am Sieg des Nationalsozialismus darin, dass sie die „Gestaltungsmöglichkeiten der Weimarer Verfassung“ nicht zur Änderung der „sozialökonomischen Grundlagen“ genutzt haben.Schon diese, die „politische Mitte“ für sich beanspruchende, Darstellung bewegt sich mithin hart am staatlichen Ächtungsverdikt, das Verfassungsschutz und Verwaltungsgerichte in München hier beanspruchen. Die Rückführung des Faschismus auf eine spezifische Konstellation des Kapitalismus durch die Faschismusspezialisten Wolfgang Abendroth und Reinhard Kühnl hat Prof. Hans Buchheim (CDU und Zentralkomitee deutscher Katholiken) vor der CSU-Hanns-Seidel-Stiftung als „zu pauschal, aber wissenschaftlich keinesfalls einfach ablehnungswürdig“ anerkannt. Schon dies schließt die hoheitliche Ächtung einer Wissenschaftsrichtung aus, da ansonsten die beiden als „Verfassungsfeinde“ wohl niemals zu Ordinarien hätten berufen werden dürfen.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zählt in seinem Bestseller „Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen“ (2008) Faschismus und Krieg zu den kapitalismusimmanenten Hauptgefahren, „die unsere Gesellschaft zu ruinieren drohen…und gute aktuelle Gründe liefern, Karl Marx nicht ad acta zu legen“.  Der Präsident der Deutschen Bischofskonferenz – ein Linksextremist?

In „Spiegel“-online vom 26. Januar 2017 schreibt Jakob Augstein: „…Es ist ein Beweis für ein trauriges Gesetz: In seiner Krise gebiert der Kapitalismus den Faschismus.“ Dieses in einem Artikel mit dem Titel „Selbstgerechter Protest. Die Vertrumpung der Welt“. Keiner der Juristen-Leserbriefe widersprach. Alle „verfassungsfeindlich“?

Die „Theoriepäpste“ der fünfziger und sechziger Jahre, Max Horkheimer und Theodor Adorno, wurden wegen ihres zentralen Diktums – „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“ – nie der Verfassungsfeindlichkeit bezichtigt und hatten damit enormen Einflusses auf Studenten, Intellektuelle und Gewerkschafter. Albert Einstein und Thomas Mann (vom Bruder Heinrich Mann ganz zu schweigen) maßen dem Kapitalismus wieder und wieder entscheidenden Schuldanteil am Faschismus zu. Und wenn die Konservative Hannah Arendt, bis heute immer wieder bemüht, gängige „Totalitarismus“-Theorien zu legitimieren, den Faschismus als „Bündnis von Kapital und Mob“ definierte, tat sie dasselbe.

Der erste, umfangreichste und bedeutendste faschismustheoretische „Klassiker“, „Behemoth“ (1941, USA), des emigrierten Sozialdemokraten Franz L. Neumann mit seiner selbstverständlichen Herleitung des Faschismus aus dem Kapitalismus, gilt in der angelsächsischen Wissenschaft immer noch als weitgehend verbindlich. Ebenfalls das Standardwerk des gemäßigten US-Konservativen George W. Hallgarten „Hitler, Reichswehr und Industrie“. Selbst der einzige angesehene US-Wissenschaftler, der den Systemzusammenhang leugnet, Henry Ashby Turner, zählt umso fleißiger „Großkapitalisten“ auf, die den Faschismus hochgebracht haben – gewissermaßen als Phänomen „persönlicher Schuld“.

Es ist ja nicht nur so, dass sich kapitalkritische Faschismustheorien auch auf weitblickende, um

die Demokratie besorgte Kapitalvertreter höchsten Niveaus wie Paul Krugmann, Josef Stiglitz u.a. berufen können. Die Dreistigkeit der Unterstellung, die VVN  halte den Faschismus für  eine „notwendige“ unausweichliche Folge „jedes“ parlamentarisch-demokratischen Kapitalismus, liegt ja vielmehr darin, dass gerade deutschen „Diensten“ nahestehende oder dienstbare  Autoren und Politiker selbst mehr oder minder klappspiegelbildlich eben  einen solchen fragwürdigen Zusammenhang unterstreichen – nur  mit dem Unterschied, dass sie diesen positiv  bewerten.

Die Gegenseite

Ernst Nolte und seine geschichtsrevisionistische Schule und konservative „Edelfedern“ wie Johannes Gross  bekannten sich zu diesem „natürlichen“, „notwendigen“ und vor allem auch „legitimen“  Weg   zur Rettung „unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung“ und Franz Josef Strauss kommentierte die faschistischen Massaker seines chilenischen Freundes Pinochet dahin, dass „die freiheitliche Ordnung eben periodisch einem Stahlbad unterzogen werden“ müsse.

Schon bei den Berufsverboten wurde in der Sickerschicht subalterner Prozesse, in denen kleine Lehramtsanwärter, Postschaffner und Friedhofsgärtner um ihre Existenz ringen mussten, die Historikerdebatte ab 1986, Ernst Nolte und der Veldensteiner Kreis, vorweggenommen: Der Faschismus und seine Kriege als legitime Notwehr gegen eine Revolution, die ihrerseits keine Notwehr der Völker gegen kriegerisches und kolonialistisches Gemetzel war, sondern als terroristische Utopie frustrierter Bohemiens vom Himmel geschneit sei. Da war Antifaschismus wegen der maßgeblichen Beteiligung prokommunistischer Ideen und Opfergruppen „prinzipiell verfassungsfeindlich“ – denn der Faschismus war unbestreitbar die konsequenteste Gegenbewegung gegen die „marxistische Gefahr“.

In Abkehr von der früheren Strategie, den 20. Juli und den Klerikalismus zum eigentlichen und einzig legitimen Widerstand zu erklären, erkennen der bayerische Verfassungsschutz und das Verwaltungsgericht München den Hauptanteil der Marxisten am Widerstand heute durchaus an und argumentieren umgekehrt: Gerade weil es wegen des Hauptanteils der Marxisten an Widerstand und Verfolgung, „in der Natur der (historischen) Sache“ liege, dass diese in der VVN überrepräsentiert waren und sind, ergäbe sich eben auch quasi-naturwüchsig, dass dort die linken Extremisten überrepräsentiert sind, worauf allein es ankomme. Ihr – wenn man so will – historisches Verdienst müsse ihnen halt heute zum Nachteil gereichen.

In den bayerischen „Berufsverbot“-Verfahren der 70er-Jahre wurden Kinder von Naziopfern, die im Spanienkrieg gekämpft hatten, genötigt, den Franco-Putsch gegen die „bolschewistische“ – gemeint war die verfassungsmäßig gewählte linksbürgerliche – Regierung als Befreiungstat zu loben. Zu dem Großtransparent der NS-Reichsparteitage: „Macht Deutschland vom Marxismus frei!“ sollten sie bekennen: „Insoweit hatten die Nazis ja recht!“

In diesen Rahmen gehören auch eine Festschrift des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem Hauptartikel von Eckart Jesse: „Vergangenheitsbewältigung – eine Deligitimierungsstrategie der Linken“. Oder, im Verlag des Verfassungsschutzes: „Antifaschismus als innen- und außenpolitisches Kampfmittel“ von Horst Helmut Knütter und anderen rechtsradikalen Autoren.

Und auch die Habilitationsschrift der Verfassungsschutzdirektorin Bettina Blank mit ihrem geschmackvoll an Montagshelden gemahnenden Titel: „Deutschland – einig Antifa?“, die selbst

die FAZ als eine „Blickverzerrung mit Rechtsdrall“ verrissen hat. Unter dem angemaßten Verdikt dieser Schmähschrift müsste deren ebenso umfängliches literarisches Gegenstück, Peter Weiss‘ Meisterwerk „Die Ästhetik des Widerstandes“, wohl als „staatsfeindlich“ durchfallen. In einem „Kulturstaat“?

„Meinungsfreiheit“ für den Verfassungsschutz?

Der Verfassungsschutz ist keine „bedauerlicherweise in NSU-Verbrechen verwickelte Sicherheitsbehörde“, sondern von Anbeginn an eine als Behörde getarnte Anti-Antifa-Organisation. Mit erheblichen Schnittmengen mit Rechtsradikalen. Bis heute hat sich da wenig geändert. Zu Professoren hochgehievte Verfassungsschutz- und „Hanns-Seidel-Stiftung“-Autoren geben offenherzig zu erkennen, dass ihr eklatantes wissenschaftliches Defizit durch repressive „Sicherheitspolitik“ ausbalanciert werden soll.

Hier liegt auch ein eklatanter verwaltungsrechtlicher Grundfehler der bisherigen Verfahren: Es geht nicht an, dass in der bayerischen Verwaltungsrechtsprechung die radikalen Positionen des Verfassungsschutzes „Meinungsfreiheit wie jede andere Meinung“ genießen und damit den strengen Maßstäben eines belastenden Verwaltungsaktes entzogen sind – und dann gleichzeitig abgesegnet werden als „Präjudiz“, d.h. letztgültiges und existenzvernichtendes Verdikt im angeblich „unüberprüfbaren Ermessensspielraum“ einer angeblichen Fachbehörde für Verfassungsfeindliches, als welche sie gesetzwidrig das Bundesverfassungsgericht abgelöst hat.

Wenn dort der Kapitalismus schlicht in Demokratie umgetauft und jeder Bedingungszusammen-hang von Kapitalismus und Faschismus zur staatsfeindlichen Lüge erklärt wird, so würden sich dem 90 Prozent aller potentiellen Sachverständigen aus Gesellschaftswissenschaft, Historie und Demokratietheorie widersetzen, wie Wolfgang Wippermann, Wolfgang Benz, Norbert Frei und zahllose andere, wie die Leute vom Leibniz-Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschung in Potsdam,wie es ja zuletzt pikanterweise auch die richterlichen Verfasser des KPD-Verbots, Martin Drath und Konrad Zweigert, in ihren eigens dazu hinterlassenen Gutachten getan haben.

Nein: Die immer noch etablierte wissenschaftliche Mehrheitsmeinung, die eben nicht als randständige Schutzbehauptung toleranzheischender Opfer gedemütigt und bestraft werden darf, muss endlich sichtbar gegen den schleichenden Siegeszug nach wie vor anrüchiger repressiver Minderheitsmeinungen in Front gebracht werden. Gerade in den vordringenden Verfahren, in denen die VVN als Organisation und der von ihr vertretene Antifaschismus direkt betroffen sind. Und auch, nachdem der Münchner „Pilotprozess“ ruhmlos zu Ende gegangen ist, mit dem ihr in Bayern – und dann der Gesamtorganisation – die steuerliche Gemeinnützigkeit entzogen werden sollte, da sie „extremistisch beeinflusst“ sei.

Dem bayerischen Verfassungsschutz folgend, urteilte das Verwaltungsgericht München 2014, dass ihr auch ohne entsprechende Verbandsdokumente allein durch die Überrepräsentation von Linken ein marxistisches Faschismus-Verständnis zuzurechnen sei, das Faschismus und Kapitalismus in einen Bedingungszusammenhang bringt, womit die Verfassungsordnung bereits in Frage gestellt sei. Denn im Schwur der befreiten Häftlinge von Buchenwald soll ja der „Faschismus mit seinen Wurzeln“ beseitigt werden. Mit „Wurzeln“ sei in verfassungsfeindlicher Weise der Kapitalismus gemeint. Dass Bundeskanzler Gerhard Schröder den vom CDU-Mitbegründer Eugen Kogon mit verfassten Schwur zu den „Basisschriften unserer Demokratie“ zählte, nutzte da nichts.

Juristische und politische Alternativen

In diesem Geiste aber seien alle Demonstrationen gegen SS-Traditionstreffen, Neofaschimsus, Pegida etc., zu denen die VVN mit-aufgerufen habe, extremistisch, selbst wenn es keine Demonstrationsdelikte gab. Denn die Losung „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ richte sich gegen die Meinungsfreiheit in der Verfassung. Die bedauerliche Teilnahme des Bundestagspräsidenten Thierse an Blockaden und Kanzler Schröders Ermutigung zum „Aufstand der Anständigen“ sei dieser gefährlichen Sogwirkung des VVN-Antifaschismus geschuldet.

Die in ihr tonangebenden linken Antifaschisten behaupteten – so heißt es – nämlich zweierlei „Grundwidersprüche“: zwischen Kapital und Arbeit, 2. zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Das allein genüge, um darin den Marxismus-Leninismus zu erkennen, den das KPD-Verbotsurteil angeblich verboten habe.

Seit der Globalisierung, Entstaatlichung, Finanzmarktkrise, Bankendominanz, Deregulierung, Privatisierung werden wir von hochrangigen Werken überschwemmt, die den Kapitalismus auch als System in Frage stellen. Und zwar gerade wegen der Aushebelung der Demokratie. Auch von prominenten Kapital-Insidern, wie dem langjährige Chefökonomen der Weltbank und Nobelpreisträger, Joseph Stiglitz.

Dann wären also weit über die Hälfte westlicher Sozialwissenschaftler „Marxisten-Leninisten“. Im Übrigen haben gerade die beiden Verfasser des KPD-Verbotsurteils, Bundesverfassungsrichter Prof. Martin Drath und Konrad Zweigert, gegutachtet, dass ihr Urteil keineswegs die marxistisch-leninistische Lehre und jede Art von Kommunismus aus dem Verfassungsbogen entfernen wollte.

Wenn also vom bayerischen Verfassungsschutz und vom Münchner Verwaltungsgericht „Kapitalismus“ schlicht in „Demokratie“ umgetauft wird, erhebt dagegen die mehrheitliche Sozialwissenschafts- und Demokratietheorie die Anerkennung der Spannung zwischen diesen beiden geradezu zur Voraussetzung demokratischer Gesinnung.

Inzwischen handelt es sich aber nicht mehr um einen „Anti-Antifa-Vorstoß“ aus der „Ordnungszelle Bayern“, sondern um eine bundesweit koordinierte Crash-Offensive gegen den Antifaschismus. Dem VVN-Bundesvorstand wurde jetzt vom Familienministerium eine Inanspruchnahme des Freiwilligendienstgesetzes mit der lapidaren Begründung versagt, „nach Auskunft der Sicherheitsbehörden erkennt die VVN die rechtsstaatliche Ordnung nicht an“. Punkt!

Der Verfassungsschutz und dessen Autoren wie Eckard Jesse, Bettina Blank, Rudolf van Hüllen und andere geraten außer Rand und Band. Inzwischen aber sind die betroffenen Organisationen selbst immer öfter Prozessparteien, nicht kleine existenzbedrohte Individuen. Diese an sich traurige Konstellation birgt aber auch Chancen für einen Paradigmenwechsel: Da steht nicht mehr eine die Mehrheit autoritativ vertretende Fachbehörde für staatspolitisches Selbstverständnis gegen kleine toleranzheischende Außenseiter. Sondern umgekehrt: Die immer noch mehrheitlich bestehende Wissenschaftsmeinung gegen anrüchige, nicht selten in rechtsextreme Zusammenhänge – NSU hier nur als ein Stichwort – verstrickte Spitzel.

Verfassungsschutzämter und folgsame Gerichte meiden bisher mit Grund die Auseinandersetzung mit dieser etablierten Wissenschaft wie der Teufel das Weihwasser. Für den Selbstschutz der Antifaschisten aber schiene mir das ein geeigneter strategischer Einstieg.

In einem VVN- oder sonstigen Antifa-Verfahren sollten Politologen und Historiker wie Norbert Frei, Wolfgang Benz, Wolfgang Wippermann, Ulrich Herbert, Hajo Funke, Susanne Meinl, Stefanie Schüler-Springorum, Michael Wildt – gleich ob sozialliberal oder konservativ- und  vor allen Dingen immer noch der verehrungswürdige Nestor Jürgen Habermas- als Sachverständige zur öffentlichen Verhandlung geladen werden. Und dann sei das Beweisthema nicht die „Richtigkeit“ kapitalismuskritischer Faschismustheorien, sondern ganz wertungsfrei der Rang und Stellenwert wissenschaftlicher Auffassungen, die den Faschismus eben auch maßgeblich von Triebkräften, realen Machtstrukturen, Erscheinungsformen und Konstellationen der kapitalistischen Wirtschaftsform In der deutschen wie in der internationalen „Scientific Community“…

Tabu-Bruch ist vollzogen: AfD als „Königsmacher“ in Thüringen

5. Februar 2020

geschrieben von Ulrich Schneider, Bundessprecher

Mit Entsetzen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es ausgerechnet die FDP in Thüringen ist, die den Tabu-Bruch vollzogen hat, die Höcke-AfD in die Rolle als „Königsmacher“ zu bringen. Ihr Schachzug, im dritten Wahlgang der Wahl zum Thüringischen Ministerpräsidenten den eigenen Kandidaten Thomas Kemmerich gegen Bodo Ramelow ins Rennen zu schicken, ermöglichte es der AfD, eine von ihr behauptete „bürgerliche Mehrheit“ gegen die rot-rot-grüne Landesregierung zu schaffen. Und CDU und FDP ließen dies widerspruchslos zu. CDU-Chef Mohring erklärte blauäugig, man sei nicht verantwortlich für das Stimmverhalten anderer Parteien. Alle bisherigen vollmundigen Erklärungen der FDP und der CDU, man wolle nicht mit der AfD zusammenarbeiten und werde sich nicht auf deren Unterstützung einlassen, wurden dem Machtkalkül gegen die bisherige Landesregierung geopfert.

Wer auf diese Weise Rassisten hoffähig macht, ist vollkommen unglaubwürdig, wenn es um gemeinsames zivilgesellschaftliches Handeln gegen Neofaschismus, Antisemitismus, Rassismus und andere Aspekte der Rechtsentwicklung geht. Die Wahl von Thomas Kemmerich wird in Thüringen – wenn es überhaupt gelingt – eine Regierung schaffen, die auf Gedeih und Verderb von der AfD abhängig ist. Das ist eine ernste Bedrohung für alle antifaschistischen Kräfte im Land und Einrichtungen, wie die KZ Gedenkstätte Buchenwald.

Deshalb ist zivilgesellschaftlicher Widerstand in jeder Form jetzt gefordert.

Droht die Zerschlagung der VVN-BdA Bundesvereinigung durch die Finanzämter?

1. Februar 2020

 geschrieben von Cornelia Kerth, Dr. Axel Holz, Elke Pudszuhn

Droht die Zerschlagung der VVN-BdA Bundevereinigung durch die Finanzämter?

 

Am 6. Januar 2020 wurde der thüringischen Landesvereinigung (TVVdN-BdA e.V.) der VVN-BdA vom Finanzamt Erfurt die Gemeinnützigkeit erneut bescheinigt.

Allerdings macht das Erfurter Finanzamt zur Auflage, dass der Thüringer Landesverband an die Bundesvereinigung keine Mittel mehr abführen darf. Damit sind die der Bundesvereinigung zustehenden Anteile am Beitragsaufkommen gemeint.

Darüber hinaus fordert das Finanzamt Erfurt nun „aus gemeinnützlichkeitsrechtlicher Sicht“, dass der Thüringer Verband dieser Auflage nicht folgen, wird ihm mit Aberkennung der Gemeinnützigkeit gedroht, denn – so die Begründung – gemeinnützige Vereine dürfen nur an andere „steuerbegünstigte Körperschaften“ Mittel weitergeben.

Hintergrund ist, dass der Bundesvereinigung am 4.11.2019 vom Berliner Finanzamt für Körperschaften 1 die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist, wogegen diese Widerspruch eingelegt hat.

Am 16. Januar forderte zudem das Finanzamt Saarbrücken die Landesvereinigung im Saarland auf, binnen drei Wochen zu erklären, wie sie künftig mit der Mittelweitergabe an die nunmehr nichtmehr gemeinnützige Bundesvereinigung verfahre.

Sollte die Aberkennung der Gemeinnützigkeit Rechtskraft erlangen ist also mit ähnlichen Auflagen wie in Thüringen in anderen Bundesländern zu rechnen.

Dies würde den Verlust der Haupteinnahmen der Bundesvereinigung und damit das Aus für den Verband bedeuten.

Unser Landesverband Thüringen wird gegen diese Auflage Einspruch einlegen und beantragen, die Angelegenheit bis zur Entscheidung über den Einspruch der Bundesvereinigung gegen den Berliner Bescheid ruhen zu lassen. Der Anwalt wird auch zur Anfrage im Saarland entsprechend Stellung nehmen.

Es bleibt dabei: Antifaschismus muss gemeinnützig bleiben!

 

  • Aufstehen gegen Rassismus

    AGR_RGB_invers
    Deine Stimme gegen rechte Hetze!

  • Das Magazin der VVN-BdA

  • dasjahr1945

 

Protest gegen Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN/BDA

14. Dezember 2019

Liebe NaturFreundinnen und NaturFreunde,

Der Landesvorstand hat am 11.12.2019 nachfolgende Stellungnahme beschlossen und als Presseerklärung versandt; wir bitten um Teilnahme an der Petition (siehe den Link unten)

NaturFreunde protestieren gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN/BDA

Das Finanzamt Berlin entzog der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ bundesweit die Gemeinnützigkeit. Der Beschluss beruft sich auf das in den NSU-Skandal verwickelte bayrische Landesamt für Verfassungsschutz; dieses stuft die VVN/BDA als „linksextremistisch beeinflusst“ und als „extremistische Organisation“ ein. Eine damit verbundene mögliche Steuernachzahlung würde die Organisation und ihre Arbeit als Ganzes gefährden.

Die VVN wurde 1947 aus Überlebenden und Verfolgtengruppen des Nazi-Regimes gegründet. Sie ist ein überparteilicher Verband. In Zeiten des Kalten Krieges, als die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit noch als Tabu behandelt wurde, war die Organisation bereits Repressalien ausgesetzt.

Wenn heute zu verschiedenen Anlässen den Opfern des Nationalsozialismus gedacht wird, wenn an vielen Orten Erinnerungsarbeit von Jugendgruppen, Schulklassen und Verbänden wie den Naturfreunden geleistet wird, ist die VVN ein nicht wegzudenkender Partner. Zahlreiche ihrer Mitglieder wurden von Städten, Landesregierungen und vom Bundespräsidenten für ihre Verdienste in der antifaschistischen Arbeit ausgezeichnet.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN/BDA ist ein politischer Angriff auch auf das Engagement anderer Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen. Die Naturfreunde fordern die Rücknahme des Beschlusses durch die Berliner Finanzbehörde. Wir unterstützen die Petition: https://www.openpetition.de/petition/online/die-vvn-bda-muss-gemeinnuetzig-bleiben.

Fred Herger
(stellvertretender Vorsitzender,
NaturFreunde Deutschland, Landesverband Saarland e. V.)
Limbacher Weg 8, 66459 Kirkel

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